"Ich bin fertig!", rief Marlon energisch durch die Klasse und als ich nicht sofort zu ihm schaute, weil ich mit einem der anderen Kinder beschäftigt war, ergänzte er:"Schon lange! Ich bin schon lange fertig!"
Es war der zweite Schultag in einer ersten Klasse.
Der zweite Schultag in einem ersten Schuljahr ist wuselig. Die Kinder sind neu in der Schule, entsprechend
aufgeregt, denn alles ist so groß und so neu.
Wir waren noch kein eingespieltes Team und ich sollte erst im Laufe der nächsten Jahre - gemeinsam mit der Klasse - lernen, wie wichtig das individuelle Lernen ist.
Spätestens als Marlon seine Wasserflasche durch die Klasse warf - ihm war einfach langweilig - musste ich umdenken und so begann die Reise zu einer neuen Unterrichtskultur für mich.
Marlon konnte bereits lesen, ein wenig schreiben und sicher bis 20 rechnen. Das verkündete er auch allen und jedem und machte den anderen Kindern gern klar, wie überlegen er ihnen sei.
Also besprachen wir im Kreis gleich mehrere Dinge, bevor weitergearbeitet wurde bzw. werden konnte.
Es mag erstmal irritierend und frustrierend klingen, wenn man bespricht, dass man in der Schule irgendwie ja eigentlich nie fertig ist, weil es immer etwas zu tun gibt.
Und dass es auch noch Regeln gibt ....
Nicht mit Wasserflaschen zu werfen jedoch ist gar keine Regel, sondern gefährlich, weil man anderen weh tun kann und es gehört zu den normalen Umgangsformen, nicht mit Gegenständen durch die Klasse zu werfen.
Eigentlich selbstverständlich.
"Weiß ich wieso schon!", warf Marlon ein "ich wollte das aber!"
Und damit sprach er genau das aus, was ich vermutet hatte.
Natürlich könnte man nun Böswilligkeit oder schlechte Erziehung vermuten, aber entstanden ist der Wurf nur aus Ungeduld und dem Nichtwissen, was man tun kann, wenn man mit einer Aufgabe fertig ist und die Lehrkraft noch bei anderen Kindern sitzt.
Im Grunde eine durch mich selbstverschuldete Situation, die ich aber so gar nicht erwartet hatte und dementsprechend schlecht vorbereitet war.
Das änderte sich.
Es war die Zeit, in der ich langsam lernte, dass die Kinder durchaus unterschiedliche Materialien benötigen, um nicht nur gefördert, sondern auch gefordert zu werden.