Lia verließ uns kurz vor Ende des ersten Schuljahres.
So lange dauerte es, das entsprechende Verfahren durchzuführen und abzuschließen.
Wir hatten sie ins Herz geschlossen, dieses kleine, bezaubernde Mädchen mit dem unermüdlichen Rededrang.
Nun durfte sie auf eine Schule mit Sprachförderzweig.
Zu Menschen, die ausgebildet waren, ihr gezielt helfen zu können.
Der Abschied fiel uns schwer, aber Lia machte es uns leicht: "Okeee!", sagte sie und streichelte uns allen über die Hände. "Okee!"
Viele Monate lang dachte ich nur darüber nach, wie verloren die Zeit für Lia bei uns war.
Wie man sie hätte besser fördern und fordern können.
Ich dachte mehr darüber nach, wie ich an ihr gescheitert war, als daran, was ihr bei uns Gutes widerfahren war.
Es dauerte, bis ich meinen Frieden mit der Situation machen konnte.
Bis mir klar wurde, dass ich nicht gescheitert war, sondern mit Lia gewachsen.
Dass ihr Zeit bei uns eine gute Zeit für sie war. Sie fühlte sich sicher, geborgen, gemocht und akzeptiert.
Sie hatte feste Strukturen, eine schöne Wohlfühlumgebung und viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren.
Lia hat vielleicht nicht gelernt, verständlich zu sprechen, aber ich bin mir sicher, sie hat sehr viel anderes bei und mit uns gelernt und erfahren.
Lia war eines dieser Kinder auf meinem Weg zum offenen und individuellen Unterricht und Lernen.
Und Lia hatte mich ein wenig demütig werden lassen.
Und dankbar.
Von Herzen dankbar.