Ich fotografierte die Kinder einzeln. Sie hielten jeweils eine kleine Tafel in Händen und darauf
stand ihr Berufswunsch. Auch Ali hatte am Ende des vierten Schuljahres so ein Schild gestaltet.
Stolz und frech grinsend hielt er es mir und der Kamera entgegen:
"Später möchte ich Rechtsanwalt werden!" stand auf seinem Schild.
Richtig geschrieben, in seiner noch ungelenken Handschrift.
Hinter uns lagen aufregende Schuljahre. Fortschritte, Rückschritte, eine gemeinsame Klassenfahrt mit Ali, an die in Klasse 2 noch niemand gedacht hätte.
Aus Ali war ein Kind mit Zukunftsträumen und -wünschen geworden. Ein Kind, das gelernt hatte mit seinen Impulsen umzugehen, das fröhlich und freiwillig in die Klasse kam, das motiviert lernte und nur noch gelegentlich in Trotz, Streitigkeiten und unglückliche Situationen geriet.
Ali hatte anders gelernt als die meisten anderen Kinder. Mit anderen Materialien, in einem anderen Tempo.
Mit vielen Nöten, mit viel Frust mit viel Kummer.
ABER Ali hatte gelernt.
Und das war es, was zählte.
Wir begleiteten Alis Übergang zu weiterführenden Schule eng und nahmen auch später dort noch an Elterngsprächen teil, wenn es mal wieder schwierig wurde.
Kinder wie Ali, junge Menschen wie Ali fallen raus aus unserem System, weil sie in keine unserer "Schubladen" passen, weil niemand vorsieht, dass es Kinder wie Ali gibt.
Vor einigen Wochen, ich kam gerade aus einer Arztpraxis, lief ich Alis Mutter in die Arme. Sie umarmte mich, küsste mich und dankte mir sehr dafür, was ich für Ali und ihre anderen Kinder getan hätte:
"Du bist Beste!", sagte sie und drückte mich und "Ali sagt immer: Frau Schäfer ist die Beste! Er spricht immer von dir und sagt, du bist gut, du bist gut!"
Ali müsste nun 22 oder 23 Jahre alt sein.
Wir konnten ihm nicht die Hilfe geben, die er gebraucht und verdient hätte. Aber wir haben unser Bestes gegeben.
Und Ali hat sein Bestes gegeben.
Und das immer wieder.
...das ist es ...... das sollte Schule sein....immer ...
vom 21.10.2023, 20.59